Lage VII oder 2. Halbzeit.

Hochverehrtes Publikum, liebe Freunde,

Höchste Zeit für einen Bericht.

Ostern war ich kurz entschlossen in München, und natürlich gab’s wieder flugtechnisch einen Zwischenfall! Der Flug selber war sehr entspannt, denn mittlerweile weiß ich, dass Chinesen möglichst weit vorne sitzen wollen, damit sie beim Aussteigen die ersten sind. D.h. ich buche möglichst die letzte Fensterreihe – Gangplatz, dann hab ich immer gute Aussicht auf einen freien Platz neben mir. War auch diesmal so. Ich bin gut in München angekommen, aber mein zweiter Koffer nicht! Also diesmal zum “Verlorenes Fluggepäck“- Schalter. Aufgrund meiner Beschreibung wird er nach mehreren Telefonaten in Frankfurt ausfindig gemacht. Man versichert mir, dass er mir spätestens am nächsten Tag vor die Haustüre gebracht wird. Stimmt! Der Kurier übergibt ihn mir und ist auch schon wieder weg! Als ich ihn öffnen will, fällt mir sofort auf, dass irgendwas nicht so ist, wie’s sein soll! Die Banderole und der Adressanhänger fehlen, das Schloss wurde gewaltsam aufgebrochen und der Inhalt ist durchwühlt. Der Zoll kann’s nicht gewesen sein, denn der sperrt mit dem TSA-Schlüssel auf und legt, falls er was rausnimmt, einen Zettel rein (ist uns schon hin und wieder passiert). Es fehlte eigenartigerweise nichts. Hab sofort an die LH geschrieben. Jetzt hab ich einen kaputten Koffer und ein mords G’schiss mit Gutachten erstellen lassen.

Es ist Wahnsinn wie die Zeit rennt! Peter hatte am 1. April Halbzeit. Er ist ist nun schon seit 20 Monaten hier.

Was ihm manchmal schon sehr fehlt, sind die Fußballspiele in der Allianz Arena,

Fußballstadion im Sportpark in Panjin, Liaoning.

Fußballstadion im Sportpark in Panjin, Liaoning.

also hat er sich schlau gemacht, wo es hier welche zu sehen gibt. Noch vor kurzem wurden in Shenyang welche ausgetragen, aber wegen der schlechten Luft wurden sie nach Panjin (liegt am Meer südwestlich von Shenyang) ausgelagert. Nix wie auf nach Panjin! Mit einem weiteren sehr begeistertem Fußball Paar fahren wir also an einem Samstagmorgen hin. Was wir nicht wissen, dass es dort zwei Stadien gibt. Wir steuern natürlich zielsicher das Falsche an. Also wieder 30 km zurück! In der Zielgeraden wedeln uns einige Chinesen mit Eintrittskarten vor der Nase rum. Da wir nicht wissen, wie gut das Spiel besucht ist, kaufen wir 4 Karten für insgesamt 160¥, das sind pro Person ca 4.50€. Das sind Preise, gell! Der Parkplatz liegt gefühlte 3 km vom Stadion entfernt und wir kommen 20 Minuten zu spät (was mir nicht besonders viel ausmacht). Es ist nur vielleicht zu 30% ausgelastet, aber die Stimmung ist großartig! Es spielen Chinas schlechteste Mannschaften:

Chinese Super League: "Liaoning Whowin" gegen "Harbin Yiteng".

Chinese Super League: „Liaoning Whowin“ gegen „Harbin Yiteng“.

Shenyang gegen Harbin ,
aber egal!

Der Schlachtruf hört sich an wie bei uns: „Schiri du ….loch“ Wir grölen lautstark, begeistert mit, was die Chinesen um uns herum hellauf entzückt und wir von allen Seiten abgelichtet werden.

Annamirl Superfan mit Fanausrüstung.

Annamirl Superfan.

In der Halbzeit wollen wir Damen Trikots für unsere Söhne kaufen, können uns auch soweit verständigen, aber die gibts erst nach dem Spiel auf dem Weg zum Parkplatz. Wir werden gefragt, welcher Mannschaft wir angehören. Natürlich Shenyang! Und prompt bekommen wir von 2 Chinesen ihre Fan-Schals umgehängt.

Chinesische Fans unter sich.

Chinesische Fans unter sich.

Profifans in der Lieblingspose.

Profifans in der Lieblingspose.

Als wir zahlen wollen, reagieren sie empört, aber von einem gemeinsamen Foto mit uns Langnasen sind sie sehr erfreut. Wir gewinnen mit: 3:0

Auf dem Weg zum Auto finden wir dann auch noch die Fanartikel.

Fan mit chinesischer Vuvuzela.

Fan mit chinesischer Vuvuzela.

Unser Sohn ist jetzt Besitzer eines „Liaoning Whowin“ Trikots.

Ja und von Januar bis Anfang Juni ist hier Erdbeerzeit!
Man kann in riesigen, von der Sonne beheizten Gewächshäusern Erdbeeren pflücken.

Gewächshaus bei Shenyang.

Gewächshaus bei Shenyang.

In jedem befindet sich ein Bienenstock, damit das Bestäuben gewährleistet ist. Bei einer Außentemperatur (im Jan./Feb. -20°) kommst du dir vor wie bei uns im Frühsommer auf einem Erdbeerfeld.

Peter will mir pflücken helfen, aber der Bauer nimmt ihm die Schale aus der Hand und bedeutet ihm, dass das Weiberarbeit sei und er doch mit ihm eine Zigarette rauchen soll. Also hab ich mir alleine für fünf Kilo Erdbeeren den Buckel krumm gemacht.

Fleißiges Pflücken und Essen von Erdbeeren.

Fleißiges Pflücken und Essen von Erdbeeren.

Als ich zum 2. Mal mit 2 Expatdamen komme, ist der Bauer so glücklich, dass er mich mit einem Kilo Hühnereiern (Eier kauft man hier nicht Stück-, sondern kiloweise) beschenkt. Beim dritten Mal mit Hühner- und Gänseeiern.

Pflücker und Bauern nach getaner Arbeit.

Pflücker und Bauern nach getaner Arbeit.

Beim vierten Mal hat er für uns seinen Garten abgeerntet und Fotos von uns mit seiner Familie gemacht und diese in ganz China rum gepostet!

Und dann war da noch das Erlebnis mit der Polizei:
Immer wenn ich vom Ikea Parkplatz auf die 8 spurige Hauptstraße raus fahre (wie auch die Chinesen – natürlich verkehrswidrig), über zwei durchgezogene gelbe Streifen nach links abbiegen will, steht plötzlich ein kleiner Chinese mit Polizeikappe und Polizeiweste vor meinem Auto. Er will, dass ich das Fenster öffne, sieht eine Rothaarige und eine Blondine und sagt (wahrscheinlich, die einzigen 2 Worte, die er auf englisch kann): „Follow me!“ Er hält vier Spuren Gegenverkehr an und ich muss auf den gegenüberliegenden Gehsteig fahren. Er lässt mich aussteigen und verlangt Fahrzeugpapiere und Führerschein. Dann redet er auf Chinesisch auf mich ein. In Zeichensprache versucht er mir klar zu machen, ob ich die zwei durchgezogenen Linien nicht gesehen hätte? Die zu überqueren ist streng verboten. Ich antworte ihm mit Unschuldsmiene, ebenfalls in Zeichensprache , dass ich die Linien zwar gesehen hätte, aber vor mir 3 Chinesen auch drüber gefahren wären! Dann sag ich noch so lieblich, als hätte ich Kreide gefressen : „Tim bu dong“ was soviel heißt wie: „Ich verstehe Sie nicht“. Ich setzt noch eins drauf und füge sehr bemüht in meinem allerschlechtesten Chinesisch hinzu, (da muss ich mich allerdings nicht besonders anstrengen): „Wo bu shuo hanyü!“ Heißt: „Ich spreche kein Chinesisch“. Der kleine Polizist verdreht die Augen und holt seinen Kollegen, der grad im Polizeiauto einen Mittagsschlaf hält. Ich wiederhole nochmal ganz langsam: „Wo bu shuo hanyü!“ woraufhin beide entnervt mit den Augen rollen. Man sieht ihnen genau an, dass sie sich mit uns jetzt  keine Arbeit antun wollen. Er händigt mir die Papiere aus und mit einem chinesischen: „Schleicht’s eich!!“ werden wir von dannen geschickt.
Meine Beifahrerin hat sich bei Ihrem Chauffeur erkundigt, was das im Fall einer Anzeige gekostet hätte: 2 Punkte und 200¥ (=24€). Nochmal Glück gehabt!

Meine größte Peinlichkeit will ich euch auch nicht vorenthalten: Ich steh im chinesischen Bauernmarkt, wo wirklich nur Chinesen einkaufen und kein Wort englisch oder sonst was gesprochen wird, am Obststand. In dem Moment als ich dran komme drängelt sich ein Chinese vor mich und will bestellen. Ich sag mit meinem allerfreundlichsten Lächeln und meiner süßesten Stimme: „Mogst di vielleicht hint ostell’n du Trampe?!“ Sofort stellt er sich hinter mich, schaut mich an und fragt: „Sprechen Sie Deutsch?“ Hmpf – schluck – Schock – Schnappatmung – roter Kopf – Pause – wo ist das nächste Mauseloch! Dann ein verlegenes: „Jjja?“ Wahrscheinlich hat er „Trampe“ nicht verstanden, das ist schon ein sehr spezieller Ausdruck.
„Machen sie Urlaub in Shenyang?“
„Nein, wir leben für 3 Jahre hier.“
„Ohohoho, das ist schön! Was arbeiten Sie?“
„Gar nichts, aber mein Mann arbeitet bei Bauma (=BMW). Warum sprechen Sie deutsch?“ Ein noch blöderer Satz ist mir in diesem Moment nicht eingefallen!
„Ich habe 4 Jahre in Nürnberg gearbeitet!“
Wir haben uns aufs Höflichste verabschiedet und ich hab mir vorgenommen, in Zukunft vorsichtiger zu sein.

Vorsichtiger deshalb: Chinesen sind ja von Haus aus sehr neugierig. Wenn ich im Supermarkt einkaufe, ist mir schon des öfteren Folgendes passiert: Ich stehe kurz irgendwo an, komm zu meine Einkaufswagen zurück und eine Chinesin wühlt in meinen Sachen rum. Wenn sie mich sieht, ist ihr das keineswegs peinlich. Im Gegenteil: sie lacht, zeigt mit dem Daumen nach oben und sagt: „Hen hao!“ (sehr gut)! Ich lach dann auch und erwidere sehr freundlich: „G’foid dir des, was i eikauft hob, du neigierigs Luada!“
Woraufhin sie kichert, weil sie meint, ich hab was besonders nettes gesagt.
Das mein ich mit: Vorsichtiger sein.

Kulturschock II war ebenfalls ein Knaller! Wieder ausverkauft! Leider ließen Beleuchtung und Technik zu wünschen übrig! Meinen Anteil hab ich diesmal dem Waisenhaus gespendet.
Nach einer Idee von Anette Dippold hab ich ein Lied über Shenyang geschrieben.
Ihr findet es hier auf meiner Homepage, oder auf Youtube: „Es muss Shenyang sein“

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Maibockfest im Paulaner (Kempinski) ohne Kommentar: Der gelbe Chinese hat mich den ganzen Abend verfolgt, was Peter sehr amüsiert hat, denn er blieb von diversen Tänzen verschont!

Tänzchen beim Maibockfest im Paulaner.

Tänzchen beim Maibockfest 2014 im Paulaner.

Annamirl und Micha beim Maibockfest 2014.

Annamirl und Micha beim Maibockfest 2014.

Feierbiest.

Feierbiest.

Wir hatten bei uns im Wohnzimmer am Pfingstsonntag einen Gottesdienst mit unserem Pfarrer Bauer. Das ist jedes mal ein Stück Heimat und sehr familiär.

Letzte Woche waren Peter und ich auf eine chinesische Hochzeit eingeladen. Das war ein Erlebnis!

Simona mit Mr. Guo.

Simona mit Mr. Guo.

Das wird aber eine „extra Lage“ in Bälde!

它很好, und frohe Grüße aus China
von Ihrer / Eurer
Annamirl

Herr und Frau Spies.

Herr und Frau Spies.